Das sagt doch gar nichts…

Die Situation für das Referendariat beendende Junglehrer in Bayern ist nicht gerade rosig, um nicht zu sagen hundsmiserabel, das lässt sich in diversen Medien nachlesen. Die Chance auf eine Anstellung steht in Bayern (und vermutlich in den meisten anderen Bundesländern) in direktem Bezug zur erreichten Endnote, welche sich zu je 50 Prozent aus den Ergebnissen des ersten und des zweiten Staatsexamens zusammensetzt. Diese Praxis wird im Zuge der schlechten Einstellungssituation immer wieder (insbesondere von den fertigen Referendaren) als wenig aussagekräftig kritisiert. So könne man aus der erreichten Endnote nicht ableiten, ob jemand ein besserer oder ein schlechterer Lehrer sei.

Wie setzt sich diese Endnote nun denn zusammen?* Das erste Staatsexamen, welches an der Uni abgelegt wird, soll den „fachwissenschaftlichen Teil“ abdecken. In Deutsch muss man dafür beispielsweise Prüfungen in den Gebieten Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft und Didaktik des Deutschen ablegen. In Englisch geht es um englische Literatur, um englische Sprachwissenschaft, um Grammatik, Sprachbeherrschung (mündlich wie schriftlich) und so weiter. Hierbei handelt es sich – zumindest bei den schriftlichen Prüfungen – um zentral gestellte Aufgaben, man weiß also vorher nicht, was genau drankommen wird. Damit gehört aber auch ein gewisses Maß an Glück dazu, ob man das Richtige gelernt hat, oder ob in der Klausur nach einem blinden Fleck im eigenen Wissen gefragt wird, denn (fast?) niemand weiß alles im jeweiligen Fachgebiet. Zusätzlich kommen noch Prüfungen in Psychologie, allgemeiner und Schulpädagogik, für die ähnliches gilt. Für diesen Teil der Lehrerausbildung würde ich die Aussage, dass man von den Noten nicht auf die Unterrichtskompetenz schließen kann, unterschreiben.

Im zweiten Staatsexamen geht es nun explizit um die Fähigkeit zu unterrichten, Stoff zu vermitteln und pädagogisch zu arbeiten. Das zweite Staatsexamen legt man an der Seminarschule ab, an welcher man als Referendar arbeitet. Es setzt sich zusammen aus drei Lehrproben (von denen man eine an einer Einsatzschule hält, zu der aber die Seminarlehrer anreisen), einem Kolloquium in Pädagogik und Psychologie sowie mündlichen Prüfungen in den beiden Unterrichtsfächern (hier geht es primär um didaktische Fragestellungen), in Schulkunde / Schulrecht und in einem Fach namens Grundfragen staatsbürgerlicher Bildung, also einer Art Sozialkunde und Politikwissenschaft, schließlich sollte man als angehender Beamter wissen, wer den Bundeskanzler wählt. Dazu kommen noch die Noten einer schriftlichen Hausarbeit über eine Unterrichtssequenz sowie die dreier Beurteilungen durch die Seminarlehrer, in welchen diese die Unterrichtskompetenz, die Erzieherische Kompetenz und die Handlungs- und Sachkompetenz bewerten. Letztere stützen sich dabei (idealerweise) auf mehrere über das gesamte Referendariat verteilte Unterrichtsbesuche der Seminarlehrer sowie Beurteilungen von Betreuungslehrern.

Nun werden diesem Bewertungsmodus in der Regel zwei Vorwürfe gemacht:
1. Lehrproben sind eine totale Ausnahmesituation und haben nichts mit normalem „Alltagsunterricht“ zu tun.
2. Die Beurteilungen der Seminarlehrer sind äußerst subjektiv, teilweise nicht nachvollziehbar und hauptsächlich auf Sympathie begründet.

Zu 1.: Ja, Lehrproben sind Ausnahmesituationen. Man bereitet sich zwei oder sogar drei Wochen auf eine einzelne Stunde vor, stopft (oftmals zu) viel Material hinein und die Schüler sind darüber hinaus aufgrund der anwesenden Prüfungskommission inkl. des Schulleiters viel braver als sonst. Alles richtig. Aber: Wie will man denn den Unterricht sonst bewerten? Wenn die Seminarlehrer ausschließlich unangekündigt den Unterricht besuchen würden, wäre es doch möglich, dass sie ausgerechnet die Stunden erwischen, in denen der Referendar einmal nicht ordentlich vorbereitet ist. Außerdem soll die Anwesenheit von mehreren Prüfern (zwei Seminarlehrer, Schulleiter und ggf. Betreuungslehrer) ja für eine größere Objektivität sorgen. Weiterhin soll man durch die intensive Vorbereitung und Erstellung eines schriftlichen Stundenentwurfs darlegen, dass man sich Gedanken zur Strukturierung der Stunde gemacht hat. Und letztendlich ist jede Prüfung eine Ausnahmesituation, egal ob es eine Lehrprobe, eine Klausur oder eine mündliche Prüfung ist. Das liegt in der Natur der Sache. Und wer es bis zum zweiten Staatsexamen geschafft hat, sollte seine Prüfungsangst und Nervosität soweit im Griff haben, dass diese ihn nicht vollkommen aus der Bahn wirft.

Zu 2.: Beurteilungen durch Prüfer sind subjektiv. Richtig. Das ist ein Problem, welches sich von der Grundschule über das Gymnasium bis in die Uni zieht. Wenn man mit dem Lehrer oder dem Professor „gut kann“, hat man einen Vorteil, wenn das Verhältnis von gegenseitiger Abneigung gepägt ist, wird’s schwierig. Das ist leider so. Im besten Fall ist sich der Prüfer darüber bewusst, dass die persönliche Beziehung zu einer Beeinflussung der Note führen kann und versucht diese soweit es ihm möglich ist zu vermeiden. Im schlimmsten Fall ist er sich dieser Tatsache bewusst und nutzt sie aus (zum Nachteil des Prüflings). Diese Gefahr soll dadurch vermindert werden, dass die Beurteilungen von beiden Seminarlehrern gemeinsam geschrieben werden und vom Seminarvorstand abgesegnet werden müssen. Hier kann also durch die übrigen Beteiligten korrigierend eingegriffen werden. Gleiches gilt für die mündlichen Prüfungen, in denen stets zwei Prüfer anwesend sind. Gänzlich ausgeschaltet kann dieses Problem allerdings nicht werden, zumindest nicht, solange es „mündliche“ Noten und menschliche Prüfer gibt. Interessanterweise beschweren sich die wenigsten Referndare darüber, dass z.B. die Unterrichtsbeitragsnoten, die sie selber machen, subjektiv und ungerecht wären. Immerhin stellen die Unterrichtsbesuche der Seminarlehrer ein Gegengewicht zu den Lehrproben dar, so dass die Fähigkeit zu unterrichten nicht ausschließlich aufgrund dieser o.g. „Ausnahmesituationen“ beurteilt wird.

Insgesamt würde ich daher schon sagen, dass das zweite Staatsexamen zwar einige Schwachpunkte in der Bewertung aufweist, dennoch aber einigermaßen Aufschluss darüber geben kann, wie gut jemand als Lehrer ist. Weiterhin stellt sich die Frage, wie man Referendare denn sonst beurteilen möchte. Wenn Lehrproben mit mehreren Prüfern zu „besonders“ sind und die Beurteilungen aus Unterrichtsbesuchen der Seminarlehrer zu subjektiv, was will man tun, um zu ermitteln, wie jemand unterrichtet? Die Schüler befragen? Das wäre wenig sinnvoll, würde es doch nur dazu führe, dass sich die Referendare bei diesen anbiedern, um möglichst gut evaluiert zu werden. Die Kollegen fragen? Die Beurteilungen der Betreuungslehrer fließen ja schon in die Gutachten mit ein. Ich sehe daher derzeit keine revolutionär andere und bessere Methode zur Beuteilung.

Als größter Kritikpunkt bleibt vielleicht noch festzuhalten, dass die Bewertungen zwischen den einzelnen Seminarschulen recht unterschiedlich ausfallen können, aber auch hier bleibt nur zu sagen: Das ist davor auch schon so: Je nachdem, welchen Prüfer oder Korrektor ich im Abitur oder an der Uni erwische, können die Noten bei gleicher Leistung sehr stark divergieren. Abhilfe ließe sich hier nur durch standartisierte, schriftliche Tests schaffen, welche dann aber noch weniger über die Unterrichtskompetenz aussagen würden.

* Ich beziehe mich hier auf die Prüfungen nach der „alten“ LPO.

Von Martin

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