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Rentner im Supermarkt

Am Samstag war ich, wie eigentlich jeden Samstag, den Wocheneinkauf erledigen. Dabei bin ich im Supermarkt, pardon, Discounter auf ein eigentlich ganz putziges Rentnerehepaar gestoßen. Beide gefühlte 1,50 m klein und reichlich runzlig und offenbar ebenfalls bei der Erledigung des wöchentlichen Großeinkaufs.

Wie der Zufall es wollte, bin ich dann praktisch den ganzen Einkauf lang hinter den beiden gelandet – an ein Vorbeikommen war auch nicht zu denken, da die beiden, ihren Einkaufswagen flankierend, alle Gänge versperrten. Teilweise blieb der Wagen auch quergestellt im Gang zurück, während sie ein paar Meter weiter über die Qualität der im Widerspruch zum Etikett ganz sicher noch nicht genussreifen Avocados fachsimpelten.
So zog sich meine Runde durch den Aldi dann doch erheblich länger hin, als ich es erwartet hatte, denn mit über 70, womöglich über 80 gar, ist man natürlich nicht mehr so flott unterwegs wie in jüngeren Jahren.

Während des Getrippels durch den Laden, was es mir immerhin ermöglichte, auch die sonst schändlich ignorierten Non-Food-Artikel und die Aktionsware zu begutachten, stellte sich mir allerdings schon die Frage, warum man als Rentner gerade am Samstagvormittag einkaufen geht, wenn man doch sehr wahrscheinlich auch unter der Woche die Zeit finden würde, die heimische Vorratskammer aufzufüllen. Ich meine, die sprichwörtliche arbeitende Bevölkerung, zu der sogar ich als Lehrer mich zählen würde, hat von Montag bis Freitag nur sehr eingeschränkt Zeit, sodass hier eher nur notfallmäßige Kleinigkeiten gekauft werden, während dann am Samstag alles für die kommende Woche besorgt wird, werden muss sogar. Warum also stürze ich mich und meine gebrechlichen Knochen hohen Alters in dieses Getümmel aus genervten Menschen, die samstags eigentlich lieber unterhaltsamere Dinge unternehmen würden, und sorge damit gleichzeitig dafür, dass mein Schneckentempo beim Shopping den Stress der restlichen Kunden (und Kundinnen selbstverständlich) noch weiter erhöht, indem ich sie regelrecht ausbremse? Gibt es auch im hohen Alter noch FOMO, nur eben nicht bezogen auf soziale Netze, sondern eher auf das gesellschaftliche Miteinander, welches man insbesondere auch im Aldi erlebt, wo es dann – Liebe Kunden, Kasse 2 öffnet – eher in eine asoziales Gegeneinander umschlägt?

Umschlagen ist in dem Zusammenhang überhaupt ein gutes Wort. Mein anfängliches Amüsement über die beiden schlug relativ schnell (ungefähr zwischen den Bananen und dem Weißkohl) in großes Genervtsein um, und spätestens bei den Tomaten war ich beinahe bereit, Herrn und Frau Gemüseexperten höchst selbst umzuschlagen, um mir den Weg in Richtung Kühlregal freizukämpfen. Das zivilisatorische Zaumzeug hielt mich aber selbstverständlich davon zurück und so trabte ich schnaubend hinter ihnen her, bis sich irgendwann, kurz vor der Kühltruhe, eine Gelegenheit für ein schnelles Überholmanöver auf der Außenbahn bot.

Nachdem ich meine Einkäufe aus dem ersten Supermarkt verstaut und anschließend noch einige Dinge in einem anderen Laden besorgt hatte, habe ich die zwei auf dem Parkplatz wiedergesehen. Dort liefen sie, vereint in zufriedenen Gefühl, noch immer Teil der Herde zu sein und alle Einkäufe erledigt zu haben, frohgemut und ihren Einkaufswagen leicht schlingernd mitten auf der Parkplatzfahrbahn steuernd in Richtung ihres Autos. Dass mal wieder niemand an ihnen vorbeikam, versteht sich von selbst. Gott weiß, wie sie anschließend dann heimgefahren sind – vermutlich zentral auf dem Mittelstreifen.